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Gute Noten für die schulische Inklusion

Gute Noten für die schulische Inklusion

In Weinheim werden im Verhältnis mehr Kinder mit Handicap in allgemeinbildenden Grundschulen unterrichtet als anderswo

Weinheim. Ein guter Bildungsstandort gibt auch auf die Schwachen Acht – das ist die Intention der schulischen Inklusion, also des gemeinsamen Unterrichtens von Kindern mit und ohne Handicap. Auf diesem für die Pädagogik ziemlich neuen Feld ist Weinheim als Bildungsregion im Land Baden-Württemberg deutlich weiter als andere.

In 14 von 17 Grundschulen im Raum Weinheim – dazu zählen auch Hemsbach, Heddesheim, Laudenbach und Hirschberg – gibt es inklusive Bildungsangebote, sowie in drei von drei Werkrealschulen. Das erfuhren jetzt auch die Mitglieder des Kinder- und Jugendbeirats in ihrer jüngsten Sitzung am Mittwochabend.

„Es ist ein Netzwerk entstanden, eine Atmosphäre des Wollens und des Kümmerns“, beschrieb Arnulf Amberg, der in Weinheim Sonderpädagoge und Leiter der Maria-Montessori-Schule ist – ebenso Vorsitzender der Elterninitiative „Arbeitskreis Inklusion Weinheim“, kurz: „AKI Weinheim“. Amberg bestätigte: „Die Arbeit hier ist in hohem Maße abgestimmt.“

Laut Statistischem Landesamt beträgt der Anteil inklusiv beschulter Kinder an der Gesamtzahl der Schüler 1,64 Prozent. Damit liegt Weinheim vor den benachbarten großen Städten Heidelberg (1,23 Prozent) und Mannheim (0,87 Prozent) und weit vor den anderen Großen Kreisstädten Schwetzingen (0,41 Prozent) und Sinsheim (0,26 Prozent). Im Zuge eines Modellversuchs des Staatlichen Schulamtes Mannheim wird in Weinheim seit 2011 auch inklusiv beschult. Im nächsten Jahr werden es rund 90 Kinder sein, die „ganz normal“ in die Schule gehen können. „Wir sind auf einem hervorragenden Weg“, wertete auch Stadträtin Cornelia Münch-Schröder, die von Beruf ebenfalls Sonderpädagogin ist.

Der Arbeitskreis „AKI“ treibt als Motor die Inklusion an den Schulen im Raum Weinheim seit ihren Anfängen ambitioniert voran. „Aber wir brauchen noch mehr Unterstützer und wohlwollende Begleiter“, erklärte Annette Trube, die zweite Sprecherin des Arbeitskreises. Sie konnte von der Entwicklung ihrer Tochter Maxima erzählen, die als Kind mit Behinderung in der Joachim-Gelberg-Grundschule in Lützelsachsen inklusiv beschult wird. Das Mädchen sei „sozial integriert und knüpft viele Freundschaften auf dem Schulhof und in der Klasse“. Dies sei eine „Bereicherung für unsere Familie, die ohne die Inklusion nie zustande gekommen wäre“. Diese persönliche Erfahrung deckte sich auch mit der fachlichen Einschätzung von Katja Hoger, der Geschäftsführenden Rektorin der Weinheimer Grundschulen. „Wir sollten diese große Vielfalt als Chance begreifen“, forderte sie, dies sei ein „grundlegendes Prinzip der inklusiven Beschulung“. Die Rektorin: „Eine Chance für unsere Gesellschaft, die später auch von diesen Menschen mitgestaltet werden wird.“

Im Beirat, in dem neben Kommunalpolitikern auch viele Erziehungs- und Bildungsexperten sitzen, bekamen der Arbeitskreis und die Stadt als Schulträger von Mitgliedern und Oberbürgermeister Heiner Bernhard großes Lob. Dank des Engagements der Eltern, sei Weinheim beim Thema Inklusion auch im Kultusministerium ein Gesprächspartner auf Augenhöhe, beschrieb der OB.

Allerdings wurde das Thema auch differenziert diskutiert. Unter anderem wurde eine „klare Linie des Landes im Hinblick auf die weitere Finanzierung“ vermisst. „Inklusion ist nur gut, wenn sie gut gemacht ist“, lautete eine weitere Äußerung. Auch sollte eine Wahlmöglichkeit für Eltern bestehen. Alles in allem sei dieser vergleichsweise sehr weit fortgeschrittene Ausbau der inklusiven Beschulung für die Stadt durchaus ein großer Kraftakt.

Annette Trube fand in der Sitzung aber auch kritische Worte. Noch zu viele Eltern seien zu wenig informiert – und stünden nur deswegen einer Inklusion skeptisch gegenüber. Von den weiterführenden Schulen, in denen im Moment in Weinheim noch keine Inklusion praktiziert wird, erwarte man sich eine bessere Willkommenskultur. „Da sind wir noch zu sehr in der Rechtfertigungsecke“, bemängelte sie. Nach dem positiven Anfang in den Grundschulen müsse es jetzt in den weiterführenden Schulen weitergehen.